Die zum In-Treff gediehene "Zweigestelle" des
gediegenen Kaffee-Tempels findet sich als Oase der Ruhe an einem Häusergeviert,
das zwischen Neustädtischer Kirchstraße und Schadowstraße zu den frequentiertesten
des wilhelminischen Berlin zählte. Die Schadowstraße hieß damals noch Kleine
Wallstraße. Und dies ließe sich durchaus korrekt auch als Little Wall Street
übersetzen. Hier hatten die Banken, die damals weitgehend in privater und zumeist
jüdischer Hand waren, in den Palais ihre Niederlassungen in Preußen. Die
Geldgeschäfte liefen blendend. Das aus allen Nähten platzende und selbstbewusst
auftrumpfende kleine Königreich war zum Kaiserreich angeschwollen. Mit Armee und Industrie. Ein Mann wie Gerschon Bleichröder hatte noch 1803 eine winzige Wechselstube in der Rosenstraße, sein Sohn Samuel wurde dreißig Jahre später Repräsentant des Hauses Rothschild in Berlin. Sein Enkel Gerson war als Finanzberater von Otto von Bismarck vielleicht sogar der mächtigste Mann in Deutschland. Diese Nachbarschaft zur Wallstraße wirkte sich auf das Umfeld aus. Hier wohnen die "feinen Leute", auch viele Intellektuelle und Künstler unter ihnen, wie beispielsweise Karl Friedrich Fasch, der den ersten Gesangverein der Stadt initiierte, aus dem die weltberühmte Berliner Singakademie hervorging. Dort lag auch die Buchhandlung von Meinhard und Behm, die renommierteste in Preußen, dort zog August Berner den Reichen die Zähne besonders sanft. Er war zwar nicht Mediziner, sondern "nur" Friseur! In diesem Umfeld lebte auch die ungewöhnlichste Frau ihrer Epoche, Bettine von Arnim, Revolutionärin, Nymphe, Vordenkerin. Sie legte den Finger in die Wunden des Elends, korrespondierte mit Gott, Goethe, dem König und der Welt und fragte an, ob sie im Hof des Hauses Unter den Linden 56 nicht aus Sparsamkeitsgründen eine Kuh halten und melken dürfe. Der Hauswirt verbot es ihr. |