3200 Menschen fasste die Neue Synagoge an der Oranienburger Strasse.
Sie war das Zentrum des Gemeindegeschehens in Berlin. In den späten zwanziger Jahren lebten annähernd 160.000 Bürger
jüdischen Glaubens in der Stadt. Obwohl im Westen bereits neue moderne Synagogen gebaut worden waren,
galt der Tempel in der Oranienburger Straße als die Hauptsynagoge für ganz Deutschland. Mit dem Bau nach Entwürfen von
Eduard Knoblauch (1801 bis 1861) war bereits 1859 begonnen worden; Vollendung jedoch durch
Friedrich August Stüler (1800 bis 1865), einen Schüler Schinkels.
Weder Knoblauch noch Stüler
erlebten die Einweihung. In der "Kristallnacht" vom 9. November 1938 brannte das Gebäude in Teilen aus,
1943 wurde der Torso durch Bomben zerstört. Seit 1995 überstrahlt die maurische Goldkuppel
(sie ist öffentlich begehbar) weithin sichtbar das ehemalige Scheunenviertel.
Dieser Stadtteil war das Kerngebiet des Lebens der armen Ostjuden in Berlin. Die Feuerschutzverordnung von 1672 verbot das Lagern von Brennbarem wie Baumaterial, Heu und Stroh innerhalb der Stadtmauer. Nach und nach wuchsen daher hinterm Oranienburger Tor 27 Scheunen. Ab 1720 hieß die Gegend Spandauer Vorstadt und wurde dicht besiedelt. Der Kiez galt als Schmelztiegel der Armut. Vor allem zuziehende Ostjuden, nach Pogromen in Russland und Polen auf der verzweifelten Suche nach billigen Quartieren, prägten diese Straßen, in denen bewusst ein Ghetto rund um die Synagoge entstand. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg mutierte das Straßengewirr zum Drehkreuz von Prostitution, Kriminalität, Subkultur und Bohème. Ein Stück Stadt der ganz besonderen Berliner Art. Laut, riesig, unproportioniert, geliebt, gehasst. Es verband wie ein imaginärer Halbmond die bürgerlichen Quartiere der Friedrichstraße mit dem Alexanderplatz, an dem der Antiheld Franz Biberkopf, erdacht von dem Armenarzt Alfred Döblin (1878 bis 1957), sein literarisches Leben fristete. |