Friedrichstraße 63 - 1846 Das Maison der Madame Bernard war die Adresse schlechthin für die "Liebe", die sich allein gegen Bares erwerben ließ. Das "Bernard'sche Haus" galt gleichermaßen als Vorzeigeadresse und lebte vom guten (oder vielleicht präziser formuliert: vom schlechten) Ruf der Mädchen, die in ihm dienten. Seit 1806 wusste Berlin auch, dass selbst ein Kaiser wie Napoléon von der Fleischerlust nicht lassen will. Damals hatte er durch Adjutanten das Bordell vom normalen Publikums-Verkehr (nie war das Wort treffender als an dieser Stelle!) räumen lassen und hatte die Nacht für sich und seine engste Begleitung reserviert. Zwei Mohren, sagt das Gerücht seinen mit von der Partie gewesen; beide "bestens gebaut" (na, na, na!!!). Es ging ins Grau des Morgens als ein entspannter Feldherr wieder auf die Straße trat, voll des Champagners und erleichtert an der Lende. Er soll bestens bezahlt haben, weit über das Abgemachte hinaus. An all das war 1846 nicht mehr zu denken, als die Sittenpolizei auf einen Schlag 40 Bordelle schloss. Der fremde Verkehr verlagerte sich zunächst ungeordnet, fand aber dann doch die Friedrichstraße zurück und wucherte über das Oranienburger Tor hinweg. Da dieser Stadtteil juristisch Oranienburg unterstand, konnte die Berliner Sitte nicht einschreiten und Oranienburg hatte besseres zu tun, als behördlicherseits Nutten zu nötigen. Nach kurzer Frist wurden Pensionen zwischen Behrenstraße und Linienstraße wieder zum Mekka der Leibeslust. Eines der Opfer dieser Schamlosigkeit wurde der Berg- und Bodendichter Ludwig Ganghofer (1855 bis 1920), der 1878 den erstbesten Pferdelenker am Bahnhof Friedrichstraße in ein "feines Pensionsstübchen hier in der Nähe" dirigierte. Ganghofer wohnte tagelang im Puff. Ohne es zu ahnen; er wunderte sich aber über die reiche Zahl nett frisierter Damen in bunten Nachröcken, die ohne erkennbare Scham an ihm vorbeihuschten. |