Der Advokat Johann Wolfgang Goethe
(geadelt wurde er erst 1782) war 28 Jahre alt, als er Berlin
besuchte. In seiner Funktion als "Geheimer Legationsrat" mit
einem Jahresgehalt von 1.200 Talern hatte er seinen jungen
Landesherren, den unter dem Pseudonym "Gottlob von Ahlefeld"
reisenden Herzog Karl August von Sachsen-Weimar,
begleitet. Die Visite ist keinesfalls ein dem Vergnügen
dienendes Rencontre mit Intellektuellen in Berlin gewesen,
sondern war von einem brisanten Vorgang überschattet: den
strategischen Vorbereitungen in Preußen wegen des Bayerischen
Erbfolgekriegs. Am 15. Mai 1778 kamen beide in der Stadt an.
Für die letzte Etappe von Potsdam nach Berlin hatten sie vier
Stunden benötigt. Die wenigsten wussten um deren wahre Identität.
Sie logierten in sieben Räumen des sogenannten Fürstenhauses,
ohne sich behördlich registrieren zu lassen. Dies war in Berlins Gasthöfen (es gab laut Friedrich Nicolai (1733 bis 1811) neun der ersten, vierzehn der zweiten und dreizehn der dritten Klasse) zwar zwingend vorgeschrieben, aber Goethe hielt sich nicht dran! Die noch in Weimar gehegte heimliche Hoffnung von Herzog Karl August, anlässlich dieses "Staatsbesuchs", den König zu treffen, erfüllte sich nicht. Friedrich II. war wegen des nahenden Krieges aufgebrochen und befand sich seit im Hauptquartier der Armee in Schlesien. Ob aus Hochnäsigkeit, Bewunderung, Zynismus schrieb Goethe an seinen Bibliothekar Johann Peter Eckermann: "Es lebt aber, wie ich an allem merke, dort so ein verwegener Menschenschlag zusammen, daß man mit der Delikatesse nicht weit reicht." Goethe hat der Stadt nur einmal in seinem langen Leben die Aufwartung gemacht: eben zu Pfingsten 1778. Er sah Künstler und Verleger, Sammler und Aristokraten. Er traf Zelter und die Dichterin Anna Louisa Karsch. Die "Karschin", Tochter eines Bierbrauers, hinterließ in ihm den nachhaltigsten Eindruck. |